Plastik in der Stadt

«Plötzlich starke Zeichen» sah Münchens auflagenstärkste Boulevardzeitung Anfang Mai «in der Stadt». Und auch die anderen Feuilletons der bayerischen Metropole schütteten des Lobes volle Füllhörner über ein Ereignis aus, das im Namen Pit Kroke personifiziert ist: Überall und nie zu übersehen, vor der Feldherrnhalle, vor dem Nationaltheater und der Residenz, am Obelisk auf dem Karolinenplatz, nahe des Königsplatzes stehen sie, die Plastiken dieses bislang nicht in Erscheinung getretenen Bildhauers aus Oberbayern und Sardinien, 19 Male «in Megalo-Handschrift», wie die Abendzeitung sich verschrieb — metaphernhafte, mehr oder minder mißglückte Versuche, den öffentlichen Raum zu möblieren.

Damit gelang vor allen Dingen den Managern dieses Bildhauers, worum seit Jahren engagierte Fachleute in dieser Stadt, die sich gerne durch die Bevorzugung des schönen Scheins hervortut, ringen: Plätze und Orte zur Verfügung zu haben, an denen linear und konzis die Strömungen internationaler Plastik gezeigt werden können. Nach Willen der Kommunalpolitiker (und nicht nur deren) sollte Beuys nicht sein, sollte Serra nicht sein, nicht einmal in geschlossenen Räumen. Aber Pit Kroke mußte sein, auch wenn dessen Kunst nicht eben eine hohe ist.

Das hat natürlich Gründe. Und die liegen im, wie könnte es anders sein, Finanziellen — was nicht weit entfernt ist vom Provinziellen, das sich gerne dort zeigt, wo das Gute so nah ist.

Zwei professionelle, sprich am Profit orientierte Kunstvermittler hatten dieses Kroke-Paket geschnürt, indem sie mit Hilfe von Fremdenverkehrsverbänden und Industrie die komplette Ausstellung finanzierten und, quasi gegen Portokostenerstattung, den Großgemeinden München und Duisburg anboten. Dankbar griff man in der bayerischen Landeshauptstadt, in der man gerade dabei ist, die bereits genehmigten Ausbaupläne für die Städtische Galerie wieder zu kippen, zu — für 50.000 Mark. Das entspricht exakt dem Betrag, den Helmut Friedel sich für sein der jungen Kunst gewidmetes Kunstforum bei privaten Förderern holen muß.

Das Frappierendste an dieser kleinkarierten Veranstaltung ist jedoch die seltene Eintracht derer, die ansonsten bei jedem Anflug einer Provinzposse gequält aufschreien. Nahezu einhellig sang man ein Loblied auf diese Lichtschliere am Firmament Kunst im öffentlichen Raum. Selbst dann, wenn man zur Ehrenrettung des einen oder anderen Kritikers annehmen möchte, er habe nur Lob gegossen, um ein zartes, auflkeimendes Pflänzchen nicht sofort wieder eingehen zu lassen, dem sei in seine Hobbygärtner-Kladde geschrieben: Um der Qualität Platz zu schaffen, muß man das Mediokre eliminieren können.


Weltkunst 12/1990, Kunst in Kürze, S. 1894

Photographie: Mathias Bigge, Wikipedia, GNU

 
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