Der Blonde mit der großen Klappe Was im zarten Alter von 16 Jahren mit Lyrik begann, soll drei Jahrzehnte später auf der obersten Sprosse bundesdeutscher TV-Showmeisterei enden. Dann nämlich, stellt sich Thomas Gottschalk vor, könnte aus dem Sonnyboy ein Kuli der Femsehnation geworden sein. Ein gut Teil des Weges hat der jetzt 30jährige schon geschafft: Seit Faschingsdienstag ist Gottschalk mit seinen Telespielen im Abendprogramm der ARD gelandet. Zuvor hatte er die unterhaltsame «45-Minuten-Kiste» (Gottschalk) bereits erfolgreich im dritten TV-Programm des Bayerischen Rundfunks moderiert. Zum erstenmal im Rampenlicht stand der gebürtige Bamberger 1965 beim Schlesiertreffen in Kulmbach, wo sich die Eltern mit Landsleuten trafen. Da hat Tommy Gedichte aufgesagt. Zu Hause hörte er allerdings lieber «unheimlich viel Radio», meistens RIAS Berlin und BBC London. Nicht verwunderlich, daß er es bei diesem Zeitvertreib auf zwei Ehrenrunden am humanistischen Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium brachte, zumal er nach eigener Einschätzung in allen naturwissenschaftlichen Fächern «furchtbar dämlich» war. Nur in Deutsch lag er überm Durchschnitt. Häufig kommentierten die Lehrer seine Aufsätze so: «Sie verstehen es ausgezeichnet, weitgehende gedankliche Leere durch sprachliche Stärke zu verdecken» — eine Fähigkeit, von der sich die Bayern noch heute täglich in der Gottschalk-Sendung Pop nach acht überzeugen können. Auf jeden Fall half dem einszwoundneunzig langen Blonden mit der großen Klappe seine Beredsamkeit auf die zweite Sprosse. 1971 bewarb sich Gottschalk beim Bayerischen Rundfunk, dessen Junge Welle einen Diskjockey-Wettbewerb veranstaltet hatte. Mutig schrieb er auf den öffentlich-rechtlichen Vordruck: «Man merkt es Euren Diskjockeys an, daß Ihr sie per Fragebogen sucht.» Sie haben ihn aber trotzdem genommen — beim Jugendfunk. Bald wurde es dem Jungredakteur jedoch zu blöd, Nachrichten und Programmhinweise zu verlesen und zu sagen: «Jetzt schauen wir für Sie auf die Studiouhr ...» Er sagte lieber: «Jungs, es ist fünf nach acht.» Und damit war's für ihn Pop nach acht. Und Zeit für die ARD, ihm dafür den Kurt-Magnus-Preis zur Förderung journalistischen Nachwuchses zu verleihen. Schließlich kamen Gottschalk die Plattensprüche so locker über die Lippen, daß auch das Fernsehen aufmerksam wurde: Der Bayerische Rundfunk engagierte ihn für die Teenybopper-Sendung Szene 77 im dritten Programm. Daß er jetzt populär ist, findet er vor allem anstrengend. Heute versteht Gottschalk die Leute, die sich im Münchner Nobelviertel Grünwald «hinter einer Hecke verschanzen». Obwohl er das eigentlich immer noch beknackt findet. Genauso wie bei beruflichen Einsätzen einen Mercedes zu fahren. Den stellt er vor Gastspielen in Diskotheken immer eine Ecke weiter ab. Fürs Private hat er einen Morgan und eine Wohnung hoch oben über den Dächern von Münchens neuem In-Viertel, dem Lehel. Und eine Ehefrau («keine Karrierefrau» übrigens). Wenn's die nicht gäbe? Dann wäre er «wahrscheinlich nur ein unzufriedener Diskotheken-Schisser». Zukunftängste kennt er nicht. Er geht auf Nummer Sicher. Schließlich will er ja der Kuli der neunziger Jahre werden. Playboy 3.1980, S. 217, Mann im Gespräch
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la chose ist das hierher umziehende Archiv von micmac. Letzte Aktualisierung: 30.10.2015, 04:39
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