Vorendgültiges Bild Monika Huber Bernhard Holeczek, Direktor des Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museums, fühlte sich beim Besuch im Münchner Atelier von Monika Huber in «seine Studentenzeit zurückversetzt», erinnert an die «Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe» von Heinrich Wölfflin: «Da standen sie nun, alle fünf, erneut auf dem Papier, frisch und gültig wie am ersten Tag: das Lineare und das Malerische, Fläche und Tiefe, geschlossene Form und offene Form, Vielheit und Einheit, Klarheit und Unklarheit.» Tatsächlich setzt Monika Huber, abseits des zeitgeistig kurzlebigen und schwammigen Begriffs Neo-Geo, mit ihren eigenen, quasi modifizierenden, zeitgenössischen Mitteln die Tradition geometrischer Malerei fort, hält gegen die allseits beliebten Rückströme der Kunst auf sich selbst. Hätten Politik im besonderen und Unkenntnis im allgemeinen den Begriff des Konservativen nicht bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen, er ließe sich, in seiner positiv wertenden Bedeutung (des Konservierens — und konstruktiven Weiterführens!) auf diese Arbeit anwenden. So will es nur logisch erscheinen, daß sie bei einer Galerie ‹gelandet› ist, die solches seit Jahrzehnten programmatisch vertritt: die Galerie m von Alexander von Berswordt-Wallrabe in Bochum. 1985 lernten die beiden sich kennen — und der Galerist die Gemälde der Künstlerin schätzen, denn anders dürfte es wohl kaum zu verstehen sein, daß von Berswordt-Wallrabe seine längere Abstinenz von Ausstellungen mit Arbeiten des künstlerischen Nachwuchses mit denen der Münchnerin 1987 beendete. Und auch wenn zu diesem Zeitpunkt Monika Huber bereits Ausstellungen in wichtigen Häusern wie dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, der (in letzter Zeit, aufgrund der überzeugenden Arbeit von Britta E. Buhlmann, immer bedeutenderen) Städtischen Galerie Würzburg und der in Ingolstadt zugesagt waren, so dürfte sich dieses Zusammentreffen für ihren kaum anders als rasant zu bezeichnenden Aufstieg als von Bedeutung erwiesen haben. Denn so kamen zum Talent (sowie der enormen physischen wie auch psychischen Leistungsbereitschaft) der heute 32jährigen Monika Huber das Engagement und die Erfahrung dieses Bochumer Galeristen internationalen Renommees (für das nicht nur Namen wie François Morellet, Jan Schoonhoven oder Richard Serra sprechen). Zu den bereits fixierten Ausstellungen kamen weitere hinzu, und so startete im Mai 1989 in Ludwigshafen eine bemerkenswerte Tournee über tragende Institutionen zeitgenössischer Kunst in Koblenz, Bielefeld, Würzburg und Wuppertal, die im September 1990 in Lübeck endete. Diese Folge von allen Museen gemeinsam veranstalteter und von der Galerie m organisatorisch betreuter Ausstellungen (zu der Monika Huber jeweils neue Gemälde mitbrachte!) wäre «nicht möglich gewesen», so die Direktoren im Vorwort des Katalogs, «wenn nicht alle Beteiligten sich in dem Bewußtsein gesehen hätten, hier eine überzeugend konsequente und bemerkenswert eigenständige Malerei einer in ihrer Entwicklung bereits weit auf gefestigte Positionen hin vorangeschrittene Künstlerin zur Diskussion stellen zu wollen». Monika Huber arbeitet, auch wenn es den Anschein hat, vor allem angesichts der mehrteiligen Ölgemälde, nicht nach festen Entwürfen. Ihre Bilder entstehen nach dem Prinzip des Weges als Ziel. Es geschieht durchaus, daß sie sich vornimmt, ein mehrteiliges Bild zu malen, daraus jedoch ein einteiliges entsteht. Doch auch dann, wenn sich die mehrteilige Arbeit abzeichnet, denkt sie immer im gesamten Komplex, stellt also nie eine Bildtafel fertig, um an die nächste zu gehen: sie arbeitet jeweils gleichzeitig an allen. Ihre Intention ist das von Max Imdahl als «vorendgültig» bezeichnete Bild, das sich, nach ihren Worten, zeigt «als rauhe und spröde Malerei, die nichts glättet und beschönigt». Dazu gehört auch, daß «Bewegungen zwischen einzelnen Bildformen, zwischen Bildrändern, Innen- und Außenflächen erhalten bleiben». Monika Huber erteilt dem Betrachter die (der Kunstrezeption immanente) Aufgabe, eine von ihr abgeschlossene Arbeit, nach der sie sich Neuem zuwendet, subjektiv zu ersehen. Beendet ist sie jeweils, wenn das Bildthema deutlich geworden und auch praktisch gelöst ist. Das immer Neue ist das Bild an sich, die darin ständig wieder problematisierte Fläche, die Geometrie und die sie störenden, aber nicht zerstörenden Faktoren, das Sichtbarmachen im allgemeinen und das des Prozessualen im besonderen, etwa das Übermalen, Freilegen, Freikratzen, Wegnehmen, Abwaschen et cetera. «Meine Flächen», so Monika Huber, «haben nie Lineal und Zirkel gesehen und sind trotzdem geometrische Formen.» Dabei ist Gleiches nie das Selbe, weshalb sie, auch wenn es bei oberflächlicher Betrachtung ihrer Arbeiten den Anschein haben mag, nicht seriell malt. Sie versteht «Malerei als einen Vorgang, der sich selbst weitertreibt, sich also verändert, in dem Maße, wie ich mich selbst verändere». So läuft ihr künstlerisches Erfassen und Umsetzen innerer und äußerer Wirklichkeit vermeintlich auf ein Bild hinaus — auf eines, das sich immerzu verändert. Weltkunst, Heft 13, 1. Juli 1991, S. 1920
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